
Kulturelle Brücken in Europa. Adel aus Böhmen und Mähren nach 1945
Als Adelige aus Böhmen und Mähren nach 1945 Brücken über politische, nationale und gesellschaftliche Grenzen hinweg schlugen, war ihr Wirken von Kultur, Menschlichkeit und christlichem Glauben geprägt. Dank ihrer familiären Verbindungen sowie der Zugehörigkeit zu europäischen und christlichen Netzwerken und geleitet von einem ererbten Verantwortungsgefühl trugen auch sie schließlich zur politischen Wende im Jahr 1989 bei.
Im Laufe des 20. Jahrhunderts verloren die Adeligen in den böhmischen Ländern nach und nach ihre zentrale Rolle in Gesellschaft, Politik und Wirtschaft. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden diejenigen, die als Deutsche galten, enteignet und vertrieben. Von denjenigen, die sich als Tschechen betrachteten, flohen viele nach dem kommunistischen Umsturz 1948 aus dem Land.
Wie ihre Landsleute mussten die Adeligen im Exil aus dem Nichts neue Existenzen aufbauen. Trotzdem halfen auch sie materiell und finanziell, auf offiziellen und heimlichen Wegen, gründeten Hilfswerke und infor- mierten in den Medien über das Geschehen diesseits und jenseits der Grenzen. Sie hielten das Bewusstsein für die gemeinsamen kulturellen Wurzeln wach.
Ihr engagierter Einsatz fand oft abseits der öffentlichen Aufmerksamkeit statt. In Erinnerung an die langjährige Geschäftsführerin des Adalbert Stifter Vereins Johanna von Herzogenberg, die 2021 ihren 100. Geburtstag gefeiert hätte, möchten wir die Wahrnehmung für diesen Abschnitt unserer gemeinsamen Vergangenheit schärfen. Er bildet einen bedeutenden Mosaikstein der mitteleuropäischen Geschichte im 20. Jahrhundert.
